05/2023 – Ljubica Negovec
Videospiel-Lokalisierung:
Die Tücken der Spiele-Branche
„ALL YOUR BASE ARE BELONG TO US” – ein Satz aus dem Videospiel Zero Wing, das 1989 für Arcade-Maschinen erschien. Sucht man ein Beispiel, wie man eine Spiele-Lokalisierung nicht machen sollte, steht dieses wohl ganz an der Spitze. Wörtlich übersetzen könnte man den berühmt-berüchtigten Patzer mit „All eure/deine Stützpunkt sind gehören uns.“
Seinen unfreiwilligen Ruhm hat er bis heute behalten – und neben vielen Erwähnungen in zahlreichen Medien sogar einen eigenen Wikipedia-Artikel spendiert bekommen. Damit Ihnen so etwas nicht passieren kann, erfahren Sie hier alles darüber, wie eine Videospiel-Lokalisierung funktioniert und welche Herausforderungen dabei zu meistern sind.
Was versteht man unter Videospiel-Lokalisierung?
Videospiel-Lokalisierung meint das Anpassen eines Videospiels an Sprache, Kultur und technische Gegebenheiten eines internationalen Zielmarkts. Dazu gehört nicht nur die Übersetzung von Text, sondern auch das Übertragen von grafischen Elementen, Audio- und Videodateien, technischen Details u. v. m. Teilweise zählen zusätzlich internationale Marketingunterlagen dazu.
Demnach ist eine Spiele-Lokalisierung also viel mehr als nur eine reine Übersetzung. Die genauen Unterschiede zwischen diesen beiden Begriffen verrät Ihnen unser Beitrag zur Lokalisierung. |
Wie funktioniert die Lokalisierung von Videospielen?
Das Lokalisieren von Videospielen ist ein umfangreicher und langwieriger Prozess. Im Idealfall werden schon während der Entwicklung professionelle Übersetzer mit einbezogen. Dazu muss natürlich frühzeitig feststehen, in welchen Märkten das Game veröffentlicht werden soll.
Doch dies lohnt sich, denn es reduziert den zusätzlichen Arbeitsaufwand und damit die Kosten. In Zusammenarbeit mit den Entwicklern und Designern können zudem Anpassungen an der Oberfläche des Spiels direkt umgesetzt werden, was dem Übersetzer mehr Freiheiten gibt.
Wie in anderen Lokalisierungs-Disziplinen – etwa der Website-Lokalisierung – müssen beim Übertragen eines Videospiels zahlreiche Komponenten bedacht werden, die längst nicht alle sprachlicher Natur sind. Die Videospiel-Lokalisierung schließt sämtliche Elemente des Games (auch „Assets“ genannt) mit ein:
- Textboxen und Dialoge
- gesprochene Sprache (Voiceover)
- GUI (Graphical User Interface – die grafische Benutzeroberfläche des Spiels)
- Videos und Zwischensequenzen
- Menüs
- Gegenstände und Objekte
- Spezialeffekte und Musik
- Farben, Formen, Piktogramme etc.
- Zahlenformate: Währungen, Zeit und Datum, Adressen, Maßeinheiten etc.
- Ebenen (z. B. Erdgeschoss vs. First Floor)
- Jahreszeiten, Feiertage und Festivitäten: z. B. Neujahr vs. chinesisches Neujahr
- Wortspiele und Redewendungen
- kulturelle Referenzen
- Hilfe, Hinweise, Update-Meldungen u. Ä.
- u. v. m.
Dazu kommen einige besondere Tücken, die wir Ihnen nun noch genauer vorstellen wollen.
Die Herausforderungen der Spiele-Lokalisierung
Im Gegensatz zur Softwarelokalisierung im Allgemeinen birgt der Bereich der Videospiele zahlreiche zusätzliche Schwierigkeiten, die so in anderen Branchen nicht bestehen.
Lokalisierung von Games als multimediale Produkte
Videospiele verbinden Text, Bild, Audio, Video und weitere Komponenten nahtlos miteinander. Übersetzungsbüros erhalten jedoch häufig nur Textdateien. Das macht es für Übersetzer schwierig, sich das Geschriebene vorzustellen. Lokalisierungs-Dokumente mit Erklärungen, Screenshots, kurze Videoclips oder Skizzen helfen dabei, die Übersetzungen präziser zu machen.
Im Idealfall hat der Übersetzer sogar Zugriff auf eine frühe Version des Spiels – oder Teile davon – und kann selbst testen, wie sich die Übersetzung ins fertige Produkt einfügt.
Videospiel-Jargon
Looten, Leveln, Campen, Farmen oder Grinden – Begriffe wie diese sind den meisten Gamern bekannt. Auch diverse Kürzel wie FPS (First-Person-Shooter), F2P (free to play) und DPS (damage per second) gehören zum Allgemeinwissen in dieser Branche. (Falls Sie mehr über diese Begriffe wissen wollen: Dieser Wikipedia-Artikel zur Gamersprache hilft Ihnen weiter.)
Ein Übersetzer, der selbst keine Videospiele spielt, findet nur schwer in dieses spezielle Vokabular hinein. Idealerweise braucht es also erfahrene Profis der Branche. Noch besser sind Fachübersetzer, die genau in diesem Genre von Spiel oder sogar in dieser Spielereihe bewandert sind.
Vielleicht haben sie die Vorgänger-Spiele selbst gespielt, das Buch dazu gelesen oder sind Experten der Lore (Hintergründe einer fiktiven Videospielwelt). In großen Fantasy-Titeln wie Skyrim, World of Warcraft oder The Witcher spielt das eine besonders bedeutende Rolle.
Die kritische Gamer-Kultur
Gerade im deutschen Raum ist der Beruf Videospiel-Übersetzer zudem ein eher undankbarer. Denn die deutsche Spielergemeinschaft verzeiht keine Fehler – gute Übersetzungen sind fast schon selbstverständlich. Teilweise bleiben Spieletitel Jahre später noch im Gespräch, weil eine Lokalisierungs-Entscheidung sich in die kollektive Erinnerung eingebrannt hat. So etwa der sächsische Dialekt der Zwerge im Bioware-Rollenspiel Baldur’s Gate.
In einem Blogbeitrag von Capcom erzählt das Lokalisierungsteam des Entwicklerstudios, dass sie für Titel wie Monster Hunter und Street Fighter gerne von Fans geprägte Begriffe mit aufnehmen. Dies verbessere die Interaktion mit der Community und Spieler können sich später besser mit dem Produkt identifizieren. |
Strenge Zeichenbeschränkungen
Ein weiteres Problem ist der begrenzte Platz auf dem Bildschirm, der Übersetzungen in ausschweifende Sprachen (etwa Deutsch oder Französisch) problematisch macht. Es gilt, eine Übersetzung zu finden, die weder die Zeichenbeschränkung überschreitet noch den Sinn hinter einer Aussage verlorengehen lässt. Das erfordert viel sprachliches Feingefühl und Kreativität.
Technisches Fachwissen ist Pflicht
Dazu kommt, dass eine Videospiel-Lokalisierung auch technisches Wissen von Übersetzern fordert. Da Videospiele interaktiv gestaltet sind – also auf Input des Spielers reagieren – müssen Text-Elemente häufig in zahlreichen Varianten vorliegen.
Dafür sind viele Textteile mit Variablen, Platzhaltern und Strings übersät: Code-Elemente, die eingesetzt werden, um denselben Satz nicht tausende Male wiederholen zu müssen. Beispiele dafür sind [Spieler_Name], $Item$ oder %CONTAINER_NAME%. Verkettungen von mehreren Variablen sind nicht selten und müssen vom Übersetzer richtig erkannt und übertragen werden.
Gerade im Hinblick auf grammatische Eigenheiten gilt es, aufmerksam zu sein. Sonst kann es im Deutschen beispielsweise passieren, dass das Spiel zwar „Du erhältst ein Eisenschwert.“ richtig formuliert, genauso jedoch „Du erhältst ein Goldrüstung.“ ausspuckt.
Regionale Beschränkungen bei der Spiele-Lokalisierung
Zu guter Letzt hat wie bei allen Medien-Übersetzungen jede Region ihre eigenen Gesetze und kulturellen Eigenheiten – etwa den Jugendschutz oder historische Aspekte. Deutschland ist beispielsweise für eine sehr strikte Alterseinstufung durch die USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) bekannt – weswegen viele Spielehersteller schon vorab Inhalte für diesen Markt selbst zensieren.
Besonders oft betrifft das geschichtliche Inhalte. So hat etwa der Publisher Bethesda die deutsche Version der Wolfenstein-Reihe jahrelang rigoros zensiert und sämtliche Symbole und Referenzen zum Nationalsozialismus entfernt.
Diese Schwierigkeiten erfordern Fachwissen, Sprachgefühl, kulturelle Kompetenzen und technisches Know-how – aber auch das Verständnis für die Bedeutung der Videospiel-Lokalisierung. Denn der zusätzliche Aufwand lohnt sich. In einem Land, das wie kein anderes die Videospielgeschichte geprägt hat, ist dieses Verständnis allerdings noch nicht ganz angekommen: Japan. |
Ein Sonderfall: Lokalisierung japanischer Videospiele
Westliche Spielestudios und Publisher setzen bereits seit Längerem auf Internationalisierung. Doch die japanische Videospielbranche, die als Urvater vieler Genres gilt, hat sich lange Zeit dagegen gewehrt, ihre Spiele zu lokalisieren. Zum Ärger der Spieler, denn: Japanische Titel genießen auch im Ausland hohes Ansehen – darunter nicht nur große Namen wie Super Mario oder The Legend of Zelda.
Seit Kurzem findet zwar ein Umdenken statt, doch die Nachfrage wird von vielen japanischen Spielentwicklern immer noch unterschätzt:
Japanische Videospiele erscheinen oft nur im Heimatland.
Nur wenige Importe schaffen es nach Europa oder in die USA – die Beschaffung der Titel ist häufig sehr umständlich und nur im Internet oder Fachhandel möglich. Doch warum werden japanische Videospiele so selten international verkauft?
Die japanische Kultur ist nicht nur mehrere Jahrtausende alt, sondern für Ausländer auch sehr speziell. Das nehmen viele Videospielentwickler zum Grund, auf eine Lokalisierung zu verzichten. Gesellschaftliche Aspekte und die Kultur, die für die Spielgeschichte essenziell sind, könnten westliche Spieler angeblich nicht verstehen. Diese Haltung ist sehr schwierig: Es wirkt fast, als wäre der nicht-japanische Spieler eine Lokalisierung „nicht wert“.
Spiele-Lokalisierungen sind häufig minderwertig.
Nicht-japanische Spieler beschweren sich außerdem darüber, wie unprofessionell viele japanische Videospiele lokalisiert werden:
- In Texten passieren offensichtliche, peinliche Fehler.
- In vielen Fällen gibt es keine übersetzte Sprachausgabe – es werden lediglich Untertitel eingeblendet, die Sprachean sich ist weiterhin Japanisch.
- Eine Lokalisierung kann außerdem Jahre dauern. Ein Beispiel dafür ist die noch eher als Geheimtipp bekannte Spieleserie Trails (jap. 軌跡 – Kiseki), deren internationale Version immer etwa 2 Jahre hinterherhinkt.
„It’s all in there, read it sorgfältig durch.” und “This guy are sick.”
Beides sind Übersetzungsbeispiele aus dem PS1-Spiel Final Fantasy VII aus 1997: ersteres in der deutschen, letzteres in der englischen Übersetzung. In neueren Portierungen des Games und im viel gefeierten Remake wurden diese Peinlichkeiten glücklicherweise entfernt. Der Publisher Square Enix weiß heute, dass es für die Vermeidung von internationalen Marketing-Fails eine gute Spiele-Lokalisierung braucht. |
Teilweise werden Elemente grundlos angepasst.
Nicht nur die Übersetzung der Sprache scheint ein Hindernis zu sein, sogar der Inhalt unterscheidet sich häufig. Dieser wird angepasst, um ausländische Spieler nicht mit Dingen der japanischen Kultur zu langweilen, die sie nicht verstehen würden – so lautet jedenfalls der Grund der Entwicklerschmieden. Hierfür haben wir ebenfalls ein Beispiel parat:
Nier Replicant und Nier Gestalt – zwei Versionen eines Spiels aus dem Jahr 2010. Der Unterschied liegt rein im Protagonisten: So spielt man im japanischen Nier Replicant einen jüngeren Charakter, der seine kleine Schwester zu retten versucht. In der internationalen Version Nier Gestalt spielt man hingegen den Vater des Mädchens. Angeblich aus kulturellen Gründen, aber ob das nun wirklich notwendig war? |
Europa und die USA haben vielleicht selbst zu diesem Dilemma beigetragen – etwa mit der gesonderten Bezeichnung japanischer Rollenspiele als JRPG statt einfach nur RPG. Erst kürzlich nannte der Produzent von Final Fantasy 16, Naoki Yoshida, diesen Begriff diskriminierend.
Fakt ist jedoch: Das Verständnis für die japanische Kultur ist bei weitem ausgeprägter, als die Branche annimmt. Beliebte japanische Visual Novels, Titel wie Yakuza, Monster Hunter oder God Eater – auch die nicht-japanische Fangemeinde möchte diese Klassiker nicht missen.
Deshalb ist es kein Wunder, dass immer mehr japanische Entwickler nun den ausländischen Markt ebenfalls mit großem Potenzial verknüpfen. Daher schaffen es nun zunehmend mehr Titel doch über die Ländergrenzen hinaus. Und das glücklicherweise mit immer besseren Lokalisierungen.
Videospiel-Lokalisierung: Ein Fall für absolute Profis
Weltweit (und auch in Japan) ist also angekommen, dass es für die Lokalisierung von Videospielen professionelle Übersetzer braucht. Und damit wollen wir zuletzt noch ein wichtiges Thema ansprechen: So groß der Hype um maschinelle Übersetzung mit künstlicher Intelligenz derzeit ist – für eine Videospiel-Lokalisierung ist die KI in vielen Fällen fehl am Platz.
Standardtexte wie Update-Meldungen oder Lizenzvereinbarungen können Sie der Maschine noch überlassen. Doch für die kreative Arbeit – etwa das Übersetzen von Wortspielen und Humor oder das Aufbauen einer emotionalen Geschichte – ist ein menschlicher Übersetzer die einzig richtige Wahl.
Solche Profis finden Sie beispielsweise bei ALLESPRACHEN. Mit über 30 Jahren Übersetzungserfahrung, modernsten Tools und Experten für jede Branche verhelfen wir Ihrer Videospiel-Lokalisierung zum Erfolg. Kontaktieren Sie uns einfach, wir beraten Sie gerne!
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KI-Benchmark-Report 2023
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FAQ – Videospiel-Lokalisierung
Was ist Spiele-Lokalisierung?
Bei einer Videospiel-Lokalisierung wird ein Videospiel sprachlich, kulturell und technisch an einen internationalen Zielmarkt angepasst. Das inkludiert Text, Sprache, grafische Inhalte, Videos, kulturelle Referenzen, technische Eigenheiten und noch vieles mehr – oft auch die Marketing-Materialien.
Warum sollten Sie Videospiele lokalisieren lassen?
Videospiele zu lokalisieren, kostet viel Aufwand – wenn man es richtig macht. Doch es lohnt sich: Denn es steigert die Verkaufs- bzw. Downloadzahlen im Zielmarkt, bringt internationale Akzeptanz und Bekanntheit, sorgt für intensiven Austausch mit der Spielergemeinschaft und stärkt die Bindung zur Community.
Wie läuft die Games-Lokalisierung ab?
Die Lokalisierung von Videospielen sollte bereits im Entwicklungsprozess starten. Ein intensiver Austausch zwischen Übersetzern, Entwicklern und Designern liefert am Ende ein lokalisiertes Spiel, das wirkt, als wäre es direkt für diesen Markt entwickelt worden. Dazu braucht es jedoch Übersetzer, die sprachlich und kulturell fit sind, technisches Fachwissen haben und auch selbst gerne spielen.